Silber: Was für eine rasante Rallye!
Was für ein Anstieg: Am vergangenen Wochenende kletterte der Silberpreis mit fast 30 Dollar je Feinunze auf das höchste Niveau seit Februar 2021. Auf Sicht der zurückliegenden vier Wochen hat sich das Edelmetall mit einem Plus von rund 15 Prozent einmal mehr deutlich besser entwickelt als Gold, das sich in diesem Zeitraum um etwa elf Prozent verteuerte.
Während Gold jedoch nur knapp unter seinem erst kürzlich erreichten Rekordhoch von 2.431 Dollar notiert, fehlen seinem „kleinen Bruder“ fast 70 Prozent zu seinem Allzeithoch vom Frühjahr 2011. Diese Diskrepanz verwundert, sind doch beide Edelmetalle vor allem dann besonders begehrt, wenn die Inflation ansteigt oder es zu Krisen kommt. Mit anderen Worten: Silber könnte trotz der jüngsten Rally immer noch eine Menge Luft nach oben haben.
Für ein zumindest allmähliches Schließen der Performancelücke spricht die deutlich steigende Nachfrage der Anleger. Während die Goldbestände des größten Gold-ETFs zuletzt abschmolzen, greifen die Investoren bei Silber im großen Stil zu. Nach Angaben von Bloomberg sind die Bestände der physisch besicherten Silber-ETFs allein zwischen Anfang Januar und Ende März um mehr als 570 Tonnen gestiegen. Auch die spekulativen Marktakteure setzen zunehmend auf Silber: Laut der US-Behörde Commodity Futures Trading Commission stiegen deren Netto-Long-Positionen in der Woche zum 9. April auf 36.600 Kontrakte – und damit fast so stark wie seit dem Zweijahreshoch von Mitte März nicht mehr.
Konjunkturbelebung beschleunigt die Nachfrage
Zudem ist Silber nicht nur als Anlagemetall gefragt, sondern profitiert darüber hinaus auch von seiner Eigenschaft als Industriemetall. Da mehr als 50 Prozent des Einsatzes von Silber auf industrielle Anwendungen entfällt (bei Gold sind es circa zehn Prozent), spielt dem weißglänzenden Metall auch die perspektivisch bessere Konjunktur in die Karten.
In den USA etwa wurden im März 303.000 neue Stellen geschaffen, was deutlich über den Erwartungen lag. Gleichzeitig stieg der dortige ISM-Einkaufsmanagerindex auf 50,3 und lag damit erstmals seit 18 Monaten wieder im Expansionsbereich. Auch in China signalisieren die aktuellen Daten zum Einkaufsmanager-Index der Industrie, dass die Konjunktur im Reich der Mitte ihre Talsohle mittlerweile durchschritten haben dürfte: Im März schloss das Barometer mit 50,8 Punkten erstmals seit mehr als einem halben Jahr wieder oberhalb der Marke von 50 Punkten, während der Caixin Einkaufsmanager-Index für das verarbeitende Gewerbe auf 52,7 Zähler vorrückte.
Schon im vergangenen Jahr erreichte die industrielle Nachfrage nach Silber – angetrieben vom Bedarf im Bereich Photovoltaik und der zunehmenden Verwendung von Silber in Elektrofahrzeugen – einen neuen Höchststand. Dem steht ein rückläufiges Angebot gegenüber, denn in den vergangenen Jahren fuhren die Minenkonzerne – angesichts der lange Zeit niedrigen Preise – ihre Investitionen tendenziell zurück. Damit steuert der Silbermarkt einmal mehr auf eine Unterdeckung zu.
Silbermarkt bleibt weiter im Defizit
Laut einer Erhebung des „Silver Institute“ dürfte die Silbernachfrage aus der Industrie in diesem Jahr mit rund 1,3 Milliarden Unzen den zweithöchsten Wert seit mehr als zehn Jahren erreichen. Berücksichtigt man zusätzlich die Nachfrage der Anleger, hat Silber zwischen 2021 und 2023 drei Jahre lang in Folge Angebotsdefizite verzeichnet – mit einem Rekord von 253 Millionen Unzen in 2022 und dem zweithöchsten Defizit (194 Millionen Unzen) im vergangenen Jahr.
Auch das Gold-Silber-Verhältnis signalisiert, dass Silber noch Luft nach oben haben könnte, ist es historisch betrachtet doch noch immer günstig. Das Gold-Silber-Verhältnis gibt an, wie viele Unzen Silber nötig sind, um eine Unze Gold zu kaufen. Mit 81 lag diese Relation zuletzt trotz des jüngsten Silber-Höhenflugs noch immer deutlich über dem langjährigen Schnitt von knapp über 60.
Ein Blick zurück in die Finanzgeschichte zeigt: Es hat immer wieder Phasen gegeben, in denen zunächst der Gold- und danach der Silberpreis gestiegen ist. Ob das „Gold des kleinen Mannes“ den erheblichen Performancevorsprung seines großen Bruders nun gänzlich aufholen wird, ist zwar ungewiss. Das Umfeld für ein Schließen der Lücke ist aber wohl so gut wie lange nicht mehr.