Marktreport Erstellt am  9. Juli 2020
Silber: Investoren setzen auf Nachholeffekte
Anders als Gold ist Silber noch nicht auf einem Mehrjahreshoch angekommen. Nach dem Corona-Rückschlag im März hat sich die Feinunze inzwischen aber wieder bis an eine wichtige Kursschwelle vorgearbeitet. Von hier aus könnte der nächste Sprung erfolgen. In den vergangenen Wochen hat sich eine wachsende Zahl von Anlegern bereits in Stellung gebracht – zu früh?
Gestern Vormittag hat der Goldpreis die 1.800er-Marke übersprungen und handelt derzeit mit knapp 1.813 US-Dollar je Unze auf dem höchsten Stand seit September 2011. Silber rückt hingegen zunehmend aus dem Fokus, zumindest auf den ersten Blick. Das liegt vor allem an der enttäuschenden Performance: Während der Goldpreis seit Jahresbeginn um rund 15 Prozent gestiegen ist, liegt der kleine Bruder nur zwei Prozent im Plus. Über die vergangenen drei Jahre gesehen sieht es ähnlich aus. Gold-Anleger freuen sich über einen Zuwachs von 35 Prozent, Silber kletterte um weniger als fünf Prozent.

Die Entwicklung hat auch Folgen für das Gold-Silber-Ratio. Aktuell kostet eine Unze Gold knapp 100 Unzen Silber. Historisch gesehen ist Silber im Vergleich zu Gold derzeit sehr günstig. Im langjährigen Durchschnitt bezahlten Anleger rund 65 Unzen Silber für eine Unze Gold. Während der Silber-Rally im Jahr 2011 fiel der Wert sogar unter 40.
ETF-Bestände legen deutlich zu
Aus Sicht der relativen Preisentwicklung gibt es somit gute Gründe, die für Silber sprechen. Dieser Meinung sind offenbar auch zunehmend Investoren, wie Auswertungen der ETF-Bestände zeigen. In der ersten Jahreshälfte beliefen sich die Zuflüsse auf knapp 206 Millionen Unzen, verglichen mit nur gut vier Millionen Unzen im Vorjahreszeitraum. Damit nicht genug: Seit Anfang April verzeichnen die Silber-ETFs sogar stärkere Mittelzuflüsse als Gold-ETFs. Erstmals kletterten zuletzt die Gesamtbestände auf mehr als 800 Millionen Unzen oder rund 25.000 Tonnen. Gleichzeitig sind auch die Netto-Long-Positionen am Terminmarkt kräftig angezogen. Investoren bringen sich also in Position und setzen auf eine Rally. Der Optimismus erscheint etwas übertrieben und mahnt zur Vorsicht.
Wirtschaftliche Erholung bereits fest eingeplant
Ähnlich wie am Aktienmarkt wetten offenbar viele Strategen auf eine kräftige wirtschaftliche Belebung in den kommenden Monaten. Silber ist anders als Gold wesentlich stärker in den Konjunkturkreislauf eingebunden. Rund die Hälfte der Nachfrage entfällt auf die Industrie. So wird Silber für Mobilfunkgeräte, Mikrochips und Fahrzeuge benötigt und ist ein Bestandteil elektrischer Kontakte wie Halbleiter und Mehrschicht-Keramikkondensatoren, die für den 5G-Ausbau gebraucht werden. Zuletzt übertrafen zahlreiche Konjunkturdaten die ohnehin niedrigen Erwartungen und stützten somit die Hoffnung auf eine „V“-förmige Erholung der Weltwirtschaft. Allerdings kann sich das Blatt auch wieder schnell wenden. In zahlreichen Industrienationen ziehen die Corona-Neuinfektionen wieder an, mögliche Lockdowns werden wahrscheinlicher. Damit würde sich auch die erhoffte Belebung der Wirtschaft verzögern mit entsprechend negativen Folgen für die Silbernachfrage.

Unter dem Strich sind daher die Chancen für einen nachhaltigen Sprung über die Preisspanne zwischen 18,50 und 19,00 Dollar eher durchwachsen. In diesem Bereich kam in der Vergangenheit regelmäßig Verkaufsdruck auf. Nur wenn die Konjunktur anzieht und das Virus aus den Schlagzeilen rückt, könnte ein weiterer Anstieg gelingen. Im Idealfall startet eine Aufholjagd gegenüber Gold mit Zielen oberhalb von 20 Dollar.
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