Dass CDU und SPD nach den Erfolgen der AfD bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen nur von blauem Auge sprechen, ist vergleichbar mit einem Hausbesitzer, der sich nach einem verheerenden Brand freut, dass der Geräteschuppen vom Feuer verschont blieb. Es gab Zeiten, da haben die (ehemaligen) Volksparteien in beiden Bundesländern mit absoluter Mehrheit regiert. Zukünftig drohen wackelige Dreierbündnisse.
Offensichtlich findet die Große Berliner Koalition beim Wähler immer weniger Anklang. Sicher, um politisch dicke Bretter zu bohren, mögen große Koalitionen vorübergehend in Kauf zu nehmen sein. Werden sie allerdings zum Dauerzustand, werden die sie tragenden Parteien schwächer. Tatsächlich leitet Angela Merkel seit Amtsantritt fast nur GroKos. Und die aktuelle ist eine Zwangsehe ohne Lustgewinn. Statt sich harmonisch wie Kaffee mit Milch zu vermischen, steht man sich unvereinbar wie Wasser und Öl gegenüber. Selbst innerhalb der GroKo-Parteien herrscht Kakophonie. In der Union prallt Neu- auf Alt-CDU. Und während die sozialdemokratische Basis die GroKo lieber heute als morgen verlassen würde, halten viele Mandatsträger an der GroKo fest, weil ihre Ämter nach Neuwahlen schneller futsch sind als der Wellensittich bei geöffnetem Fenster. Die SPD ist so gespalten, dass es zur Neubesetzung des Vorstands sogar einer Casting-Show bedarf: GNTS, Germany’s Next Top Sozis.
Wenn Politiker (Wirtschafts-)Visionen haben, sind sie nicht krank und müssen zum Augenarzt
So ein Notbündnis ist naturgemäß kaum in der Lage, mehr als nur politische Laubsägearbeiten zu verrichten. Man einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und läuft gerne dem gerade herrschenden Zeitgeist hinterher. Dabei gehen die Wähler lieber zum Original. Natürlich müssen Parteien pragmatisch sein. Doch dürfen sie nie als Pralinenschachtel auftreten, in der zwar für jeden etwas dabei ist, es aber am Ende niemandem wirklich schmeckt. Die Älteren unter uns erinnern sich an Politiker wie z.B. Franz-Josef Strauß und Herbert Wehner. Damals wusste man noch, was der Markenkern von Union und SPD war. Es gab klare Kante, Fisch oder Fleisch, nicht beides. Das alles hat Wählern Orientierung gegeben und sie damit an die Altparteien gebunden. Heutige Politiker müssen sich die Frage gefallen lassen, warum es damals keine politischen Ränder gab, aber feste politische Mehrheiten im Rahmen kleiner Koalitionen.
Und die nächsten Wahlen kommen bestimmt. In West- sind zwar momentan noch keine Wahlergebnisse wie in Ostdeutschland zu erwarten. Jedoch sind aufgrund des Wählerschwunds der Volksparteien auch dort und auch im Bund immer mehr Dreierbündnisse zu erwarten. Doch „ein bisschen Aroma, ein bisschen Paloma, ein bisschen Chichi“ gemäß Roger Whittaker, also ein bisschen Ökonomie, ein bisschen Ökologie und ein bisschen Soziales sind nicht geeignet, den großen Ruck durch Deutschland zu bewegen, der dringend notwendig ist, um angesichts der brutalen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen aus Amerika und China mithalten zu können.
Wird weiter nur brav moderiert statt regiert, nur moralisch verwaltet statt gestaltet und sogar der Planwirtschaft - trotz unzähliger historischer Totalschäden - immer mehr Beachtung geschenkt, ist Deutschlands Abstieg aus der World Champions League nicht aufzuhalten. Warum wird die deutsche Infrastruktur sehenden Auges auf Verschleiß gefahren? Warum tun wir uns mit Innovationen so schwer? Damit riskiert Deutschland soziale Spannungen, die die Ränder bestimmt nicht kleiner machen. Nur mit Wirtschaftskompetenz, die auch einmal wehtut, aber längerfristig Perspektiven bietet, holt man enttäuscht abgewanderte Wähler zurück und schafft stabile politische Verhältnisse, die zu klaren Entscheidungen führen.
Zurzeit entscheidet es sich, ob unser Wohlstand politisch verteidigt oder vergeigt wird.