Kann man dem Handels-Braten zwischen EU und USA trauen?
Donald Trump spielt den Rächer der handelspolitisch Enterbten in Amerika schon zu lange, um eine Wende ohne Gesichtsverlust zu machen. Gott mag nachgeben, Donald Trump aber nie.
Also braucht es etwas, dass er als seinen Erfolg verkaufen kann. Und hier hat die EU in Person ihres Kommissionspräsidenten Juncker beim Treffen mit dem US-Präsidenten offensichtlich viel schlitzohriges Geschick bewiesen: Die EU wird den Amerikanern viele Sojabohnen abnehmen. Der Unmut der Trump-treuen Farmer angesichts der sich verschließenden chinesischen Importtüren wird sich damit legen. Daneben wird Europa zukünftig auch mit US-Flüssiggas beheizt. Die Angst Amerikas vor einer russischen Energieabhängigkeit Europas entspannt sich ebenso wie das Absatzproblem. Insgesamt wird so dem amerikanischen Handelsbilanzdefizit entgegengewirkt. Wenn Trump das nicht als seinen großartigen und fantastischen Erfolg preisen kann, was dann?
Gönnen wir ihm diesen Triumph. Hauptsache, wir haben eine handelspolitische Feuerpause und die Exportmärkte in den USA bleiben für die EU grundsätzlich offen. Ansonsten würde ein munteres Zoll-Wettrüsten zu Exporteinbrüchen und anschließend dramatischen Überkapazitäten führen. Die Gefahr einer Deflation, dem Grundübel jeder Volkswirtschaft, wäre real. Die Kurse deutscher Exportaktien würden schmelzen wie Eis beim aktuellen Supersommer.
Ein gemeinsamer Feind eint mehr als 1.000 gemeinsame Freunde
Noch wichtiger ist aber, dass EU und USA nun darüber verhandeln, Zölle, Handelsbarrieren und Subventionen umfänglich zu senken. Solange sind auch die amerikanischen Autozölle vom Tisch. Selbst wenn Trumps Metallzölle und die Gegenmaßnahmen der EU vorerst weiter gelten, bieten sich jetzt faszinierende Chancen für ein ordentliches Handelsabkommen. Hierbei könnten auch Maßnahmen gegen Plagiate, Exportgenehmigungen nur gegen Preisgabe technologischen Know Hows und staatliche Marktverzerrungen angegangen werden. Nennen wir es TTIP light. Tatsächlich macht es Sinn, dass sich die westliche Welt gemeinsam gegen China verbündet, das seine starke Wirtschaftsposition auch den unfairsten Handelspraktiken der Welt zu verdanken hat.
Protektionismus kommt als Bumerang nach Amerika zurück
Es ist schön zu sehen, dass die Kraft des Faktischen auch von der US-Administration nicht geleugnet wird. Trumps Wirtschaftsberater - sicherlich keine dummen Jungs - wissen, dass auch Amerika bei einem ausgewachsenen Handelskrieg blutet. Gerade der Freihandel hat Amerikas Konsumgüter weltweit verkaufbar gemacht. Gleichzeitig blieb die Inflation zahm, weil Amerikas Unternehmen auf globale Produktionsstandorte mit (Lohn-)Kostenvorteilen zurückgreifen konnten. So konnte die Fed statt einer restriktiven Geldpolitik sogar noch Konjunkturförderung betreiben. In der Folge kamen amerikanische Aktienmärkte in den Genuss einer dreifaltigen Happy Hour: Über die fundamentale Umsatz- und Gewinnverbesserung der US-Konzerne, die mangelnde Alternativrendite von Zinspapieren - Liquiditätshausse genannt - und eine geringe Aktienschwankungsbreite.
Es wäre doch ein Schlag für die US-Wirtschaft, wenn das Beispiel Harley Davidson Schule machte und immer mehr globale US-Konzerne zur Umgehung der Exportzölle in Europa und China weniger in Amerika, sondern mehr direkt in ihren ausländischen Absatzmärkten produzieren. In den USA produzierende deutsche Autohersteller beschäftigen ca. 120 Tausend Mitarbeiter. Für viele amerikanische Arbeitnehmer ist es ökonomischer Selbstmord, Trumps Handelspolitik gutzuheißen.
Übrigens, das Trump-Bashing der früheren Verbündeten wird den geostrategischen Einfluss der USA immer mehr schwächen. China versucht, mit Brachialgewalt Europas neue Wirtschafts-Geliebte zu werden. Hat Trump vergessen, dass Europa als Gegenleistung für den militärischen Schutz von Uncle Sam vor dem „bösen Iwan“ auch massenhaft amerikanische Musik, Fernsehserien und Konsumgüter aufs Auge gedrückt wurde. Will Amerika auf dieses Sonderkonjunkturprogramm in Zukunft verzichten?
Und da die heimischen Produzenten vor ausländischer Billigkonkurrenz geschützt werden sollen, führen Importzölle z.B. auf Aluminium natürlich zu steigenden Preisen. Wenn die amerikanische Binnennachfrage nicht mehr durch kostengünstige Auslandsware - aus China kommt doch bislang so ziemlich alles - sondern vor allem national befriedigt werden muss, kommt es zu dramatischen Kapazitätsüberlastungen in der Industrie. Dass dann alle steigenden Preise weitergeleitet werden, kann man aktuell bereits an teurerem Bier - was man in Amerika halt so Bier nennt - in Aluminiumbüchsen ablesen.
Damit kämen die USA sogar wieder in den „Genuss“ einer restriktiven US-Geldpolitik. Auch angesichts der biblischen Verschuldung wären dann selbst die bis dato nicht tot zu kriegende US-Konjunktur und amerikanische Aktien gefährdet. Ein schwacher Aktienmarkt hat noch keinem US-Präsidenten gutgetan.
Ja, Protektionismus ist auch für Amerika der perfekte Dünger für Stagflation: Schwache Wirtschaft bei steigenden Preisen. Die internationale Arbeitsteilung aufzugeben ist nicht nur dumm, sondern saudumm. Dann könnte man moderne Industrietechnik auch durch die Dampfmaschine ersetzen.
Zum Glück macht selbst die eigene Partei Druck auf Trump. Sie haben keine Lust, dass die flatterhafte Politik ihres enfant terrible dazu führt, die Mehrheit der Republikaner im Kongress bei den Neuwahlen am 6. November 2018 zu verlieren. Bei vielen Gesetzesvorhaben wären sie dann auf die Demokraten angewiesen. Und die haben den erbitterten republikanischen Widerstand im Kongress gegen ihren Präsidenten Barack Obama noch in bester Erinnerung. Da sind viele Rechnungen offen.
Man darf den Handels-Tag nicht vor dem Abend loben
Für Handels-Naivität ist sicher kein Platz. Aus dem Saulus Trump wird nicht plötzlich ein Paulus. Bislang ist die Lebensdauer von Trumps Aussagen geringer als die einer Eintagsfliege. Kann Kater Trump wirklich das Mausen, seine klammheimliche Freude an der Unterminierung der EU oder seine Währungsmanipulationsvorwürfe an die EZB aufgeben?
Ohnehin soll das Thema Autoimport und -export nicht Bestandteil eines Handelsabkommens sein. Und die Landwirtschaft gilt hüben wie drüben als so heilig, dass schon nur die Ankündigung von Subventionsbeschneidungen zu schweren „Bauernaufständen“ führen würde. Die Bundesstaaten des Mittleren Westens Amerikas, aber auch Frankreich können getrost als Agrarstaaten bezeichnet werden.
Dennoch, solange verhandelt wird, wird nicht geschossen, auch nicht im Handelskrieg. Selbst für einen Trump würde es jetzt schwierig, eine Totalabkehr von den jetzt mit der EU vereinbarten Handelsbeschlüssen vorzunehmen.
Die stabilen vor allem exportlastigen Aktienmärkte signalisieren bereits Entspannung. Wie lautet doch das feste Glaubensbekenntnis der Börsen: Die Märkte haben immer Recht.
Die Handels-Kuh ist noch nicht vom Eis. Aber das Seil hat man ihr immerhin schon um den Hals gelegt.