Der Platinpreis kann sich weiterhin nicht nachhaltig aus seinem Abwärtstrend befreien. Doch gerade diese Phase könnte für Investoren eine attraktive Gelegenheit darstellen, da das Verhältnis von Angebot und Nachfrage momentan besonders angespannt ist. Dennoch sollten Anleger auch ein Auge auf potenzielle Risiken haben.
Platin hat seit Juni bereits dreimal den Wert von 900 Dollar pro Feinunze erreicht und sich jedes Mal wieder erholt. Jeder Preisrückgang wurde bisher genutzt, um Platin zu kaufen, was eine Aufwärtsbewegung bis fast 1.000 Dollar zur Folge hatte. Dennoch sollten Anleger vorsichtig sein: Ein Durchbruch über oder unter diese Marken ist nicht unbedingt ein klares Zeichen für künftige Entwicklungen. Es gibt starke Unterstützungspunkte bei 800 Dollar, während in den letzten zwei Jahren Erholungen zwischen 1.100 und 1.200 Dollar mehrfach nicht nachhaltig waren.
Seit 2015 hat sich der Platinpreis, mit wenigen Ausnahmen, in einer Spanne zwischen 800 und 1.200 Dollar bewegt. Aktuell steht Platin bei etwa 950 Dollar, das sind rund 15% weniger als zu Beginn des Jahres. Wenn man dies langfristig betrachtet, befindet sich der momentane Preis am unteren Rand dieser jahrelangen Handelsspanne. Das könnte für Anleger eine attraktive Gelegenheit zum Einstieg darstellen.
Die Marktlage für Platin zeigt sich vielversprechend, sowohl aus technischer als auch aus fundamentaler Sicht. Eine Studie des World Platinum Investment Council (WPIC) deutet darauf hin, dass die Platinnachfrage steigen könnte, sollte die EU Strafzölle gegen chinesische Elektroautohersteller verhängen. Grund dafür sind Untersuchungen bezüglich unlauteren Wettbewerbs. Falls tatsächlich höhere Zölle eingeführt werden, könnte die Umstellung auf Elektrofahrzeuge in Europa langsamer verlaufen. Interessant für Platin: Es wird, ebenso wie Palladium, in Abgasreinigungssystemen herkömmlicher Autos verwendet. Bei einem Handelskonflikt könnte also die Nachfrage nach diesen Autos – und somit nach Platin – steigen.
Breite Platinnachfrage
Im zweiten Quartal stieg die weltweite Platinnachfrage um beeindruckende 31% im Vergleich zum Vorjahr. Besonders aus dem Automobilsektor, mit einem Zuwachs von 19%, und der Industrie, mit einem Anstieg von 12%, kam ein signifikanter Bedarf. Insgesamt führte dies zu einem Angebotsdefizit von 348.000 Unzen. Hinzu kam eine starke Nachfrage nach börsengehandelten Platinprodukten, die physisch abgesichert sind. Dieser Wert erreichte den höchsten Stand seit drei Jahren.
Gleichzeitig ging die Produktion von raffiniertem Platin um rund vier Prozent zurück. Insbesondere in den südafrikanischen Minen läuft die Verarbeitung von Platin langsamer als angenommen. Ein Grund dafür ist, dass umgebaute Schmelzanlagen durch Stromkürzungen in ihrer Funktion beeinträchtigt wurden. Hinzu kommt, dass in den kommenden zwölf Monaten Wartungsarbeiten geplant sind. Dies könnte dazu führen, dass die Minenbetreiber das Jahr mit mehr unverarbeitetem Platin beenden als ursprünglich erwartet. Es besteht daher die Möglichkeit, dass diese Produktionsverzögerungen noch länger anhalten werden.
Rekordangebotsdefizit erwartet
Die Prognosen des WPIC zufolge könnte die derzeitige angespannte Lage sowohl bei Angebot als auch Nachfrage zu einem Rekorddefizit von über einer Million Feinunzen Platin im Jahr 2023 führen. Dieses Defizit wäre in absoluten Mengen und im Verhältnis zur Jahresnachfrage beispiellos.
Dennoch ist ein Anstieg des Platinpreises nicht garantiert. Erste Anzeichen einer Rezession zeigen sich in bedeutenden Industrienationen wie Deutschland. Zudem dämpfen straffe Geldpolitiken und hohe Zinssätze die globale Wirtschaft. Wenn das ansonsten stabile Verbraucherverhalten nachlässt, könnte die Automobilbranche, die sehr konjunkturabhängig ist, rasch davon betroffen sein und die Platin-Nachfrage sinken. Investoren sollten sorgfältig abwägen, welche Faktoren den Platinpreis in den nächsten Wochen am stärksten beeinflussen könnten.